Der 9. November in der deutschen Geschichte
Ob im Jahr 1848, 1918, 1923, 1938 oder 1989:
Der 9. November ist ein höchst ambivalenter, vielschichtiger Tag in der deutschen Geschichte.
Jedes Jahr fallen hier Feier- und Gedenkstunden zusammen.
Der 9. November markierte in der deutschen Geschichte häufig einen epochalen Wendepunkt. Das jüngste historische Ereignis an diesem Tag war der Fall der Berliner Mauer im Jahr 1989, die 28 Jahre lang die beiden deutschen Staaten teilte. Am gleichen Datum 51 Jahre zuvor – 1938 – fand die gewaltsame Judenverfolgung in Deutschland einen ersten Höhepunkt. In der Nacht zum 9. November 1938 wurden auf Geheiß der nationalsozialistischen Führungsriege in ganz Deutschland und im angeschlossenen Österreich
Läden und Wohnungen jüdischer Bürger geplündert und zerstört, Synagogen in Brand gesetzt und Jüdinnen und Juden ermordet. Der Tag ging als "Reichspogromnacht"in die Geschichtsbücher ein.
Der 9. November trat in der deutschen Geschichte mehrmals in den Fokus:
1848: Scheitern der Märzrevolution
"Ich sterbe für die Freiheit", lauteten die letzten Worte des Abgeordneten Robert Blum. Am 9. November 1848 wurde der Demokrat in Wien von den Truppen der Gegenrevolution erschossen. Das Ereignis markierte den Anfang vom Ende der so genannten Märzrevolution
in den Staaten des Deutschen Bundes. Begonnen hatte das revolutionäre Zeitalter in Frankreich, es erfasste nahezu ganz Europa und erreichte schließlich auch Deutschland. Geistiges Fundament der Revolutionsbewegung war die Forderung nach einer Verfassung, die den Ausgleich von monarchischer Autorität und Volkssouveränität
bringen sollte. Zudem standen im Mittelpunkt die nationale Frage - die Forderung nach nationaler Einheit und Unabhängigkeit - und die soziale Frage, insbesondere die Forderung nach vollständiger Bauernbefreiung und sozialer Sicherung der freien Lohnarbeiter. Doch der erste Versuch, Deutschland als Teil einer europäischen Modernisierung nach freiheitlichen und nationalen Leitvorstellungen auszurichten, scheiterte am Widerstand der reaktionären Kräfte.
1918: Novemberrevolution
Im Herbst 1918 überschlugen sich im Deutschen Reich die Ereignisse. Angesichts der bereits feststehenden Niederlage der Deutschen im Ersten Weltkrieg wurde der Ruf nach Frieden und der Abdankung des Kaisers lauter. Es kam zu einer Interner Link: Revolutionsbewegung
. Betriebe wurden bestreikt, in vielen Städten bildeten sich Arbeiter- und Soldatenräte. Am 9. November erfasste die Revolution auch Berlin, wo Reichskanzler Prinz Maximilian von Baden
aus Sorge vor einem radikalen politischen Umsturz eigenmächtig die Abdankung des Kaisers bekannt gab. Der stellvertretende SPD-Vorsitzende Philipp Scheidemann rief daraufhin von einem Balkon des Berliner Reichstags die erste deutsche Republik aus und besiegelte damit das Ende der Hohenzollernherrschaft. Er kam damit Karl Liebknecht zwei Stunden zuvor, der aus dem Berliner Schloss die "freie sozialistische Republik Deutschland" ausrief. Diese doppelte Ausrufung der Republik zeigte die frühe Polarisierung, die es der jungen Republik von Anfang an schwer machte: Ihr fehlte es an Rückhalt in der Bevölkerung, an Geschlossenheit und Unterstützung durch die exekutive Gewalt. Massenarbeitslosigkeit, Kriegsschäden und Reparationsforderungen aus dem Ersten Weltkrieg stellten die Weimarer Demokratie vor eine Zerreißprobe. Europaweit erlangten antidemokratische Strömungen Aufwind und lieferten den Nährboden für den aufkommenden Nationalsozialismus .
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1923: Hitler-Ludendorff-Putsch
Inflation, kommunistische Unruhen und die französische Besetzung des Ruhrgebietes begünstigten Anfang der 1920er Jahre die Entstehung reaktionärer und nationalistischer Strömungen. In dieser instabilen politischen Lage plante Adolf Hitler als Parteiführer der NSDAP in München einen gewaltsamen Putsch. Sein Ziel war es, die Regierung in Berlin abzusetzen und selbst die Macht in einer nationalen Diktatur zu erringen. Am Sonntagmorgen des 9. November 1923 marschierte Hitler zusammen mit General Erich Ludendorff und weiteren Anhängern zur Feldherrnhalle in München. Doch die bayerische Polizei stoppte den Marsch und damit auch Hitlers Versuch, gewaltsam an die Macht zu gelangen. Die NSDAP wurde daraufhin verboten, Hitler zu fünf Jahren Haft verurteilt. Zehn Jahre später gelang es ihm, die Macht zu ergreifen.
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1938: Novemberpogrom
In der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938 organisierten SA-Truppenund Angehörige der SS gewalttätige Übergriffe auf die jüdische Bevölkerung. Am Abend davor hatte Propagandaminister Joseph Goebbels auf einem Kameradschaftsabend im Alten Rathaus in München betont, Ausschreitungen gegen Juden seien "von der Partei weder vorzubereiten noch zu organisieren". Allerdings sei ihnen "soweit sie spontan entstünden auch nicht entgegenzutreten". Die bei dieser Rede anwesende NS-Führung verständigte noch am selben Abend ihre Gauleitungen. Himmler befahl Heydrich: Die Staatspolizei solle Plünderungen verhindern, aber sonst nicht eingreifen. Brände sollen nur gelöscht werden, um umliegende Gebäude zu schützen. Gleichzeitig sollen in allen Bezirken so viele Juden wie möglich festgenommen werden. Die Bilanz war verheerend: Etwa 7.500 jüdische Geschäfte wurden zerstört, über 1.200 Synagogen niedergebrannt sowie zahllose Wohnungen verwüstet. 91 Juden wurden erschlagen, niedergestochen oder zu Tode geprügelt. In den Tagen darauf wurden im ganzen deutschen Reich über 30.000 jüdische Männer verhaftet und in die Konzentrationslager Dachau, Buchenwald und Sachsenhausen verschleppt. Etwa 1.300 Personen starben infolge der Novemberpogrome durch Gewalt, unmenschliche Haftbedingungen oder Suizid.
Die antisemitischen Ausschreitungen waren von der nationalsozialistischen Führung organisiert. Sie trieb die Diskriminierung und Verfolgung jüdischer Bürger seit der "Machtergreifung" Hitlers 1933 systematisch voran. Die Übergriffe am 9. November 1938 gingen als "Reichspogromnacht" in die Geschichte ein. Sie war ein Wendepunkt in der Geschichte der Judenverfolgung im nationalsozialistischen Deutschland, obwohl auch davor schon Synagogen in Brand gesetzt worden waren. Die erste systematische reichsweite Aktion gegen die jüdische Bevölkerung war der Boykott jüdischer Geschäfte im April 1933. Mit den Nürnberger Gesetzen von 1935 wurde antisemitischen Überzeugungen auch gesetzlicher Rückhalt verschafft. In den Tagen und Monaten nach den Pogromen wurde eine neue Welle von Gesetzen verabschiedet, die die Rechte der jüdischen Bevölkerung noch weiter einschränkten.
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1989: Fall der Berliner Mauer
500.000 Demonstranten versammelten sich am 4. November 1989 zu einer Kundgebung auf dem Berliner Alexanderplatz, ebenso viele zwei Tage später in Leipzig - die Demonstrationsbewegung gegen das SED -Regime in der DDR erreichte Anfang November 1989 ihren Höhepunkt. Unter dem Druck der tausendfachen Ausreise von DDR-Bürgern über Ungarn und der Montagsdemonstrationen in Leipzig und anderen ostdeutschen Städten zerfiel das SED-Regime. Am 7. November trat zunächst die DDR-Regierung, der Ministerrat, zurück, einen Tag später auch das Politbüro. Sie machten einer neuen Führung Platz. Am Abend des 9. November verkündete DDR-Politbüro-Mitglied Günter Schabowski auf einer Pressekonferenz überraschend die sofortige Öffnung der Mauer : Die neue Reiseregelung für DDR-Bürger trete "sofort" in Kraft. Daraufhin strömten tausende Ostberliner an die Grenzübergänge ihrer Stadt. Gegen 23.30 Uhr konnten die Grenzsoldaten am Grenzübergang Bornholmer Straße dem Andrang der Menschen nicht mehr standhalten. Der Übergang wurde geöffnet. Der Weg zur deutschen Wiedervereinigung war frei.
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