Geldtheorie- und Geldpolitik
Inhaltsverzeichnis
1. Grundlagen
2. Geldmengenkonzepte
3. Geldnachfrage
4. Geldangebot und Geldschöpfung
5. Wirkungen einer Geldmengenänderung
5.1. Expansive Geldpolitik
5.2. Restriktive Geldpolitik
6. Europäische Währungsunion und das Europäische System der Zentralbanken
6.1. Zeittafel zur Europäischen Währungsunion
6.2. Das Europäische System der Zentralbanken
7. Die Deutsche Bundesbank innerhalb des ESZB
8. Geldpolitisches Instrumentarium
9. Quellenangabe
1. Grundlagen
1.1. Begriff des Geldes
Im alltäglichen Sprachgebrauch wird unter dem Begriff Geld in erster Linie Bargeld verstanden. Bargeld umfasst dabei Banknoten (Scheine) und Münzen. Allgemein kann man unter Geld oder Zahlungsmitteln alles verstehen, was innerhalb einer Volkswirtschaft zur Bezahlung von Gütern und Dienstleistungen oder Begleichung von Schulden verwendet wird. Entscheidend ist, dass alle Teilnehmer am Wirtschaftsgeschehen (auch Wirtschaftssubjekte genannt) das verwendete Zahlungsmittel akzeptieren. Zahlungsmittel müssen jedoch nicht unbedingt die von staatlichen Stellen ausgegebenen Banknoten und Münzen sein. Es kann Zeiten geben, in denen das Vertrauen in die amtlichen Banknoten soweit schwindet, dass sich die Wirtschaftssubjekte ein von allen akzeptiertes Ersatzgeld suchen. Mehr dazu um folgendem Abschnitt.
1.2. Merkmale /Eigenschaften des Geldes
Damit ein Produkt die Funktionen des Geldes übernehmen kann, muss es vorher folgende Eigenschaften erfüllen.
- Allgemeine Akzeptanz,
- Knappheit,
- Haltbarkeit,
- Teilbarkeit und
- Transportfähigkeit.
Sollten diese Eigenschaften nicht (oder nicht mehr) erfüllt werden, so wird das Produkt durch ein anderes Gut ersetzt, um die Funktionen des Geldes auszufüllen. In der Vergangenheit gab es immer wieder Änderungen, weil das ursprüngliche Produkt die obigen Merkmale nicht mehr erfüllte. Als Beispiel für Güter die diese Funktionen des Geldes übernehmen, können Muscheln, Perlen, Silber, Salz aber auch Zigaretten (nach dem 2. Weltkrieg in Deutschland) herangezogen werden. Das Produkt Gold erfüllt bis heute die Eigenschaften am besten und wird daher immer wieder als Produkt gewählt, was die Funktionen des Geldes am besten umsetzt.
1.3. Funktionen des Geldes
1.3.1. Tauschmittel (Tauschfunktion)
Industriegesellschaften sind durch ein hohes Maß an Arbeitsteilung gekennzeichnet, kaum jemand produziert noch alle Dinge seines täglichen Bedarfs selbst. Jeder hat sich auf die Produktion eines bestimmten Gutes oder Dienstleistung spezialisiert und ist deshalb auf den Austausch von Waren und Dienstleistungen angewiesen. Im einfachsten Fall finden sich zwei Personen, die jeweils genau die Waren anbieten, die der andere gerade benötigt (Doppelkoinzidenz von Bedürfnissen). Dann können diese in einem Naturaltausch ihre Waren direkt miteinander tauschen. Im Normalfall wird ein potentieller Anbieter einer Ware jedoch nicht genau das anbieten, was der Nachfrager sucht. So wird im Naturaltausch ein Automechaniker mit einem Bäcker nur dann handelseinig, wenn das Auto des Bäckers gerade kaputt ist. Ist dies nicht der Fall, müßte sich der Automechaniker, um Brot zu bekommen, erst die Ware besorgen, die der Bäcker gerne haben möchte. Man ist also auf sogenannte indirekte Transaktionen angewiesen, um seine Bedürfnisse zu befriedigen. Genau diese werden durch ein allgemein akzeptiertes Tauschmittel in Form von Geld ermöglicht. In einer Geldwirtschaft kann ein Händler die Ware, die er produziert gegen Geld verkaufen und bei einem anderen Händler für dieses Geld genau die Waren einkaufen, die seinen Bedürfnissen entsprechen. Durch die Tauschfunktion des Geldes wird der Tausch in zwei Teilakte zerlegt. Verkauf von Ware gegen Geld und Kauf von Ware gegen Geld. Es entsteht ein indirekter Tausch.
1.3.2. Wertaufbewahrungsmittel (Wertaufbewahrungsfunktion)
Wer Geld in seinem Geldbeutel, im Sparstrumpf oder im Safe zu Hause aufbewahrt, nutzt damit die zweite Funktion des Geldes, die Wertaufbewahrungsfunktion. Die
Wertaufbewahrungsfunktion des Geldes ermöglicht es, Einnahmen und Ausgaben zu zergliedern und den Konsum den Wünschen entsprechend zeitlich zu verteilen. Geld verkörpert Handlungs- oder Konsumpotential, das natürlich genau danach bemessen werden muss, was man mit diesem Geld kaufen kann. Der Wert des Geldes wird demnach durch die Güterpreise bestimmt. Geldwert und Güterpreise stehen in einem unmittelbaren Zusammenhang: sind die Preise stabil, ist es auch
der Geldwert und umgekehrt. Steigende Preise vermindern den Geldwert und beeinträchtigen die Wertaufbewahrungsfunktion des Geldes.
Am deutlichsten wird dies, wenn man das Verhalten der Wirtschaftssubjekte in den Phasen untersucht, in denen die Wertaufbewahrungsfunktion des Geldes stark beeinträchtigt ist, in Zeiten starker Geldentwertung. Die Wirtschaftssubjekte versuchen dann, ihr Geld nach Erhalt möglichst schnell wieder in Waren umzutauschen. Ein Arbeitnehmer kauft für den erhaltenen Lohn sofort Waren ein, auch wenn er diese zur Zeit noch gar nicht benötigt. Dies war in Deutschland in der Zeit der sogenannten Hyperinflation 1923 der Fall, als das Geld innerhalb von
Tagen und Stunden an Wert verlor.
Ist erst die Wertaufbewahrungsfunktion beeinträchtigt, kann das Geld auch seine anderen Funktionen verlieren. Die Wirtschaftssubjekte suchen sich dann andere, wertstabilere Einheiten zum Tauschen und Rechnen. So ersetzte in vielen Ländern Lateinamerikas in den Hyperinflationsphasen der achtziger Jahre der Dollar die nationale Währung in Rechen-, Tausch und Wertaufbewahrungsfunktion.
Obwohl die Grenzen natürlich fließend sind, noch einige Anhaltspunkte für die begriffliche Verwendung verschiedener Inflationsbegriffe: Ist der Geldwert - wie in Deutschland seit den fünfziger Jahren - relativ stabil, mit Inflationsraten stets unter 8% pro Jahr, im Regelfall zwischen 1% und 5%, spricht man von schleichender Inflation. Von Hyperinflation wird in der Regel gesprochen, wenn die Jahresinflation die Größenordnung von mehr als 1000% erreicht.
1.3.3. Recheneinheit (Wertmaßstab)
Geld wird im allgemeinen nicht nur als Tausch- oder Wertaufbewahrungsmittel, sondern auch als Recheneinheit verwendet. Im modernen Wirtschaftsverkehr ist es zweckmäßig, den Wert aller Güter, Dienstleistungen, Forderungen und Verbindlichkeiten in derselben Bezugsgröße auszudrücken. Es wäre zu kompliziert, wenn man zum Beispiel den Wert eines Pkw in Arbeitsstunden eines Friseurs oder in Kleidern angeben müsste, je nachdem ob man den Pkw verkaufen wollte, um zum Friseur zu gehen oder um sich ein Kleid zu kaufen. In einem solchen System gäbe es eine Vielzahl sogenannter relativer Preise. Es wäre sehr schwierig, Preisvergleiche unter verschiedenen Anbietern anzustellen, die ihre Waren in verschiedenen
Einheiten auszeichnen. Eine einheitliche Recheneinheit erleichtert die Sache ungemein. Man kommt in einer Wirtschaft mit 1000 Gütern und Geld als sogenanntem Numeraire-Gut dann mit 1000 Geldpreisen aus und spart sich das Rechnen mit fast einer Million relativer Preise.
1.3.3. Zahlungsmittelfunktion (Wertübertragungsfunktion)
Geld wird auch zur Bereitstellung von Krediten und zur Tilgung von Schulden herangezogen. Damit ist eine zeitliche Trennung zwischen Kauf und Bezahlung zwischen den Tauschpartnern möglich.
1.4. Erscheinungsformen des Geldes
1.4.1. Warengeld
Während in den Anfängen des Warenverkehrs seltene Güter wie Salz oder Gold als
Zahlungsmittel verwendet wurden (s.o.), ging man später vor allem zu Münzen aus Gold oder Silber über. Der Wert des Metalls, das für die Prägung der Münzen verwendet wurde, entsprach dem Wert der Münzen als Zahlungsmittel. Materialwert und Nennwert der Münzen waren also identisch. Werden Waren (wie in diesem Fall bestimmte Metalle) mit einem inneren Wert als Geld verwendet, bezeichnet man dieses Geld auch als Kurantgeld.
1.4.2. Kredit- oder Nominalgeld
Geld, dessen Wert als Zahlungsmittel höher ist als der Eigenwert, wird hingegen als Kreditgeld bezeichnet. Dies ist neben den Scheidemünzen bei den Banknoten der Fall. Hier beträgt der Materialwert nur einen Bruchteil des Nennwertes. In der heutigen Zeit werden immer mehr Leistungen nicht mehr in Münzen oder Noten bezahlt. Zur Bezahlung werden Überweisungen, Schecks oder Electronic cash-Verfahren benutzt. Diese setzen ein Konto bei einer Bank voraus.
Guthaben auf solchen Bankkonten, die ohne Kündigungsfrist jederzeit abgehoben werden können, nennt man Buch- oder Giralgeld. Diese Guthaben sind ebenso wie Bargeld kurzfristig für Güterkäufe verwendbar und deshalb sehr liquide.
Guthaben auf Girokonten werden auch als Sichteinlagen bezeichnet, da über sie jederzeit ("bei Sicht") durch Barabhebung, Überweisung oder auf andere mit der Bank vereinbarte Art verfügt werden kann. Sichteinlagen werden von den Banken im allgemeinen nicht oder nur sehr niedrig verzinst (meist 0,5 %). Wer sein Geld vorübergehend anlegen möchte, kann hierfür ein Termingeldkonto wählen. Termineinlagen haben eine Laufzeit von meistens 1 - 12 Monaten.
Jedoch ist auch eine längerfristige Geldanlage möglich. Termineinlagen haben gegenüber Sichteinlagen den Vorteil einer höheren Verzinsung. Für eine längere Anlagedauer sind auch Sparkonten geeignet. Die Verfügungsmöglichkeit über Spareinlagen ist für den Bankkunden jedoch begrenzt, er muss seiner Bank den Abzug der Spareinlagen frühzeitig (zumeist mind. 3 Monate zuvor) bekanntgeben. In der Regel gilt, je länger der Anlagezeitraum desto höher der Zinssatz, aber desto geringer die Verfügungsmöglichkeit.
Da über Termin- und Spareinlagen nicht jederzeit zu Konsumzwecken verfügt werden kann, die Anlagedauer aber meist aufgrund geringer Verzinsung relativ kurz ist, werden diese Vermögensformen auch als geldnahe Forderungen oder Quasigeld bezeichnet. Bei ihnen steht die Wertaufbewahrungsfunktion im Vordergrund.
Video: Wie kommt das Geld in die Welt
Video: Preisstabilität
2. Geldmengenkonzepte
Die Summe allen Geldes, das sich in einer Volkswirtschaft im Umlauf befindet, nennt man die
Geldmenge. Sie beeinflusst wesentlich das wirtschaftliche Geschehen einer Volkswirtschaft. Es
gibt verschiedene Definitionen der Geldmenge. Es ist naheliegend, das sich im Umlauf
befindliche Bargeld zur Geldmenge zu rechnen. Jedoch können auch Sichteinlagen bei den
Banken kurzfristig als Tauschmittel verwendet werden und innerhalb einer längeren Frist auch
Termingelder und Sparguthaben. Je nach der Fristigkeit der Betrachtung werden daher in
unterschiedlichen Geldmengenkonzepten unterschiedliche Anlageformen einbezogen. Die
verschiedenen Geldmengenkonzepte, sie sind sowohl in Deutschland als auch in der EU als M1,
M2 und M3 definiert, unterscheiden sich also durch ihren jeweiligen Umfang und Fristigkeit.
Welche Geldmenge betrachtet wird, hängt davon ab, welche Einflussfaktoren untersucht werden
sollen und in welchem Betrachtungszeitraum sich die Untersuchung abspielt.
Bei der Geldmenge M1 wird die Zahlungsmittelfunktion des Geldes betont. Dementsprechend
werden in ihr der Bargeldumlauf außerhalb des Bankensystems und die Sichteinlagen
zusammengefasst. Durch die Erweiterung der Geldmenge M1 um Gelder mit geringerem
Liquiditätsgrad ergeben sich die Geldmengen M2 und M3. Bei der Geldmenge M2 werden zu
M1 die Termineinlagen mit Kündigungsfristen von unter vier Jahren hinzugezählt. Addiert man
zu M2 Spareinlagen mit Kündigungsfrist von bis zu drei Monaten, verbriefte Verbindlichkeiten
mit einer Laufzeit von bis zu zwei Jahren, Repo-Geschäfte(1) sowie Geldmarktpapiere(2)
einschließlich Anteilen an Geldmarktfonds(3), erhält man die Geldmenge M3. Diese Geldmenge
M3 entspricht dem ehemaligen Geldmengenkonzept "M3 erweitert" der Deutschen Bundesbank.
M1 = Bargeldumlauf und Sichteinlagenbestände inländischer Nichtbanken
M2 = M1 + Termineinlagen inländischer Nichtbanken mit einer Laufzeit von unter 4 Jahren
M3 = M2 + Spareinlagen inländischer Nichtbanken mit Kündigungsfrist von bis zu 3 Monaten +
Anteile an Geldmarktfonds + Geldmarktpapiere + verbriefte Verbindlichkeiten von
bis zu 2 Jahren + Repo-Geschäfte
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Ergänzende Hinweise zum Geldmengenkonzept:
1) Zu einem gegebenen Preis von den Geschäftsbanken an die nationalen Zentralbanken verkaufte Wertpapiere unter
der gleichzeitigen Verpflichtung, dieselben (oder ähnliche) Wertpapiere zu einem festen Preis an einem festgelegten
Tag in der Zukunft zurückzukaufen.
2) Verbriefte Vermögensrechte (z.B. Schatzwechsel, Commercial Papers), die mit dem primären Ziel der
Liquiditätsversorgung am Geldmarkt (überwiegend) zwischen den Kreditinstituten gehandelt werden;
Geldmarktpapiere sind sehr liquide und relativ kurssicher.
3) Fonds, die nur in Geldmarktpapiere investieren; sie sind ebenfalls als liquide einzustufen, da über diese Anteile
kurzfristig verfügt werden kann.
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Video: Geldpolitische Stratiegie
3. Geldnachfrage
Wirtschaftssubjekte fragen Geld nach, d.h. sie halten einen Teil ihres Vermögens in Form von
Bargeld, weil es Tausch- und Wertaufbewahrungsfunktionen erfüllt. Häufig wird bei den
Beweggründen, Geld zu halten zwischen dem Transaktions-, Vorsichts- und Spekulationsmotiv
unterschieden.
Die Transaktionskasse wird für alltägliche Waren- und Dienstleistungskäufe benötigt. Für den
einzelnen ist die Höhe der Transaktionskasse von den geplanten Einnahmen und Ausgaben
abhängig. Gesamtwirtschaftlich betrachtet ist die Transaktionskassenhaltung dementsprechend
vom Volkseinkommen abhängig: je höher das Einkommen, desto höher der Betrag der für
Güterkäufe gehalten wird.
Die Vorsichtskasse wird von den Wirtschaftssubjekten gehalten, weil Einnahmen und Ausgaben
sich nicht mit vollkommener Sicherheit vorhersagen lassen. Um dem Risiko zu entgehen, eine
Rechnung nicht bezahlen zu können, wird der einzelne vorsichtshalber etwas mehr Bargeld mit
sich führen oder mehr Geld auf dem Girokonto halten, als er vermutlich benötigt.
Die Transaktions- und Vorsichtskassenhaltung hängt also mit der Tauschmittelfunktion des
Geldes zusammen. Die Höhe der Transaktions- und Vorsichtskasse eines Haushalts hängt von
dessen Einkommen ab. In einer Volkswirtschaft steigt diese Kassenhaltung mit dem
Volkseinkommen. Erkennbar ist aber auch eine Zinsabhängigkeit der Transaktions- und
Vorsichtskassenhaltung. Dies hängt mit den Opportunitätskosten der Transaktions- und
Vorsichtskassenhaltung zusammen. Die Opportunitätskosten entstehen, da das Geld nicht oder
nur niedrig verzinst wird. Die Opportunitätskosten hängen also von der Höhe der Zinsen ab, die
sich alternativ zur Kassenhaltung für die Vermögensanlage erzielen läßt. Wenn festverzinsliche
Wertpapiere vergleichsweise hohe Zinsen einbringen, werden die Wirtschaftssubjekte ihre
Bargeldbestände möglichst knapp kalkulieren, da diese keine Zinsen abwerfen.
Bei der Spekulationskassenhaltung schließlich kommt die Wertaufbewahrungsfunktion des
Geldes zur Geltung. Vermögensanlagen, zum Beispiel in Wertpapieren, bieten zwar Zinsen,
unterliegen aber Wertschwankungen. Demgegenüber liefert Kassenhaltung zwar keine oder
kaum Erträge, ist aber auch keinen Wertschwankungen unterworfen. Deshalb werden die
Wirtschaftssubjekte, wenn sie Verluste bei der Anlage in Wertpapieren fürchten, lieber ihr
Vermögen risikolos in Sichteinlagen oder kurzfristigen Termineinlagen halten.
Verluste entstehen bei Anleihen, wenn ein Wirtschaftssubjekt eine Anleihe verkaufen möchte
und der Zinssatz seit dem Kauf gestiegen ist. Anleihen haben i.d.R. während ihrer ganzen
Laufzeit eine gleichbleibende Verzinsung. Steigt der Zinssatz auf dem Kapitalmarkt
beispielsweise von 6% auf 8%, dann will niemand mehr an der Börse eine Anleihe zum
ursprünglichen Wert kaufen, die nur 6% Zinsen abwirft. Dies wird verständlich, wenn man sich
klar macht, daß eine Anleihe zum Ausgabepreis von € 100 und einem nominalen Zinssatz von
6% eine jährliche Verzinsung von sechs € bringt, während neue Anleihen mit einer nominalen
Verzinsung von 8% acht € Zinsen einbringen. Jeder der eine Anleihe kaufen möchte, wird
daher höchstens einen Preis bieten, bei dem die Differenz aus Kurswert und Nominalwert plus
der Verzinsung von 6% genau eine effektive Verzinsung von 8% ergibt. Deshalb fällt der Kurs
dieser Anleihe.
Ein Anleger wird mit dem Kauf einer Anleihe noch warten und sein Geld auf dem Girokonto
belassen, wenn er damit rechnet, dass in Kürze der Zinssatz für Anleihen steigen wird, er also bei
einem späteren Kauf höhere Zinsen erhält. Die Spekulationskassenhaltung ist folglich
zinsabhängig. Je niedriger der Zinssatz und je stärker auch die Erwartung steigender Zinsen ist,
um so höher ist die Spekulationskassenhaltung.
Insgesamt steigt die Geldnachfrage also tendenziell bei steigendem Volkseinkommen und
sinkendem Zinssatz. Die Geldnachfrage wird schwächer, wenn der Zinssatz steigt oder das
Volkseinkommen fällt.
4. Geldangebot und Geldschöpfung
Das Geldangebot bezeichnet die Geldmenge, die den Wirtschaftssubjekten einer Volkswirtschaft
vom Finanzsektor zur Verfügung gestellt wird. Es umfasst das Bargeld in den Händen des
Publikums als auch die Einlagen bei Banken, die bei Bedarf für Transaktionen verwendet werden
können, z.B. Girokonten. Die Höhe des Geldangebots wird zum einen durch die Europäische
Zentralbank bestimmt. Basis des Geldschöpfungsprozesses ist das
Zentralbankgeld. Dieses setzt sich aus dem von der EZB ausgegebenen Bargeld sowie den
Einlagen der Geschäftsbanken bei der EZB zusammen. Das Zentralbankgeld bildet die
Grundlage des Geldschöpfungsprozesses.
Zum anderen bestimmt der Prozess der Geldschöpfung die angebotene Geldmenge. Wie oben
gezeigt besteht die Geldmenge nicht nur aus dem Bargeldumlauf, sondern auch aus dem Buch oder
Giralgeld. Mit ihren Aktivitäten kann die EZB die in Umlauf befindliche Geldmenge beeinflussen.
Bargeldumlauf bzw. Buchgeldmenge steigen zum Beispiel, wenn die EZB Aktiva wie Grundstücke,
Wertpapiere oder Devisen ankauft und den Kaufpreis bar bezahlt. Denn dabei gelangt Geld in Umlauf,
das zuvor in den Tresoren der Zentralbank lag und daher nicht zur Geldmenge gerechnet wurde, da es
ja nicht im Umlauf war. Dasselbe passiert, wenn die Zentralbank nicht bar bezahlt, sondern den
Kaufpreis auf einem Konto gutschreibt. Die Buchgeldmenge steigt ebenso, wenn Geschäftsbanken
von den Nichtbanken (Unternehmen und Haushalten) Aktiva ankaufen und den Gegenwert auf einem Konto gutschreiben. Die Höhe des vorhandenen Buchgeldes beeinflussen auch die Geschäftsbanken über ihre
Kreditvergabe. Die hieraus entstehende maximale Höhe des Buch- oder Giralgeldes ergibt sich
aus dem sogenannten Prozess der multiplen Giralgeldschöpfung. Die folgende Darstellung soll
diesen Prozess skizzieren:
In einer Welt ohne Geschäftsbanken (sog. einstufiges Bankensystem) ist das Zentralbankgeld
gleich der Geldmenge, da es nur Geld in Form von Bargeld gibt. Diese Annahme gilt auch, wenn
die Kreditinstitute 100% ihrer Einlagen als Reserve halten. Zahlt beispielsweise ein Kunde
Bargeld auf sein Konto ein, und wird dieses Geld von der Bank stets für eine eventuelle
Auszahlung bereit gehalten, dann hat sich die Geldmenge nicht verändert. Denn sowohl das
umlaufende Bargeld als auch die Sichteinlagen bei den Banken werden zur Geldmenge gezählt.
Zur Geldschöpfung durch die Kreditinstitute kommt es erst dann, wenn diese nicht mehr als
100% ihrer Einlagen als Reserve halten müssen. Bei einem Kreditinstitut existieren
beispielsweise Sichteinlagen in Höhe von 100.000 €. Das Kreditinstitut ist verpflichtet, in
Höhe eines Teils dieses Geldes (z.B. 10 %) eine Mindestreserve auf seinem Konto bei der EZB
zu unterhalten. Einen weiteren Teil (bspw. wieder 10 %) hält es als Bargeld - und zwar in Höhe
der erwarteten Barabhebungen der Bankkunden von ihren Konten. Den verbleibenden Betrag von
80.000 € kann die Bank als Kredit vergeben, vorausgesetzt, eine Kreditnachfrage in dieser
Höhe zum dem von der Bank geforderten Zinssatz besteht bei einem Bankkunden. Dieser erhält
den Kredit und verfügt über den Kreditbetrag durch Überweisung auf das Konto bei einer
anderen Bank, um bspw. eine Rechnung bei einem Lieferanten zu begleichen. Die Bank des
Lieferanten hat jetzt eine zusätzliche Einlage von 80.000 €. Hiervon wird sie wieder die
vorgeschriebene Mindestreserve und einen Teil in Bargeld halten - in diesem Bsp. 16.000 €.
Den verbleibenden Betrag von 64.000 € kann sie wieder als Kredit vergeben. Dieser Prozess
kann viele Runden lang so weiter gehen, er endet aber spätestens, wenn in Höhe der
Wirkungen einer Geldmengenänderung ursprünglichen Sichteinlage Bargeld und Mindestreserven bei den beteiligten Kreditinstituten gehalten werden - hier also, wenn die Summe aller Sichteinlagen 500.000 € beträgt.
Bei der Geldschöpfung sind die Geschäftsbanken auf die EZB angewiesen. Die EZB kann als
einzige Zentralbankgeld bereitstellen und die Höhe der Mindestreservehaltung festlegen. Die
Verantwortung für das Geldangebot liegt also letztendlich bei der EZB. Sie regelt das
Geldangebot, das schließlich auf den Gütermarkten für Transaktionen zur Verfügung steht.
5. Wirkungen einer Geldmengenänderung
In den vorhergehenden Abschnitten wurden Geldnachfrage und Geldangebot beschrieben. Das
Geldangebot wird in erster Linie von der EZB bestimmt. Die Geschäftsbanken beeinflussen zwar
mit ihren Entscheidungen den Prozeß der Giralgeldschöpfung mit, gegen den Willen der EZB ist
auf Dauer eine Geldmengenexpansion aber nicht möglich.
Im folgenden werden die Auswirkungen einer Geldmengenänderung auf Inflation,
Beschäftigung, Produktion und Volkseinkommen untersucht. Gleichzeitig werden die
unterschiedlichen Transmissionsmechanismen dargestellt, mit denen sich Änderungen in der
Geldpolitik (oft auch als monetäre Schocks bezeichnet) auf die Volkswirtschaft auswirken.
5.1. Expansive Geldpolitik
Expansive Geldpolitik soll zunächst an einem einfachen Fall dargestellt werden.
Dabei entstehen Wirkungsketten. Die EZB kann
z.B. durch die Senkung der Mindestreservesätze (siehe 8.3) oder den Ankauf von Devisen oder
Wertpapieren die Geldmenge erhöhen. Da den Kreditinstituten mehr Geld zur Verfügung steht,
wird deren Bereitschaft, Kredite zu gewähren, steigen. Der Zins sinkt.
Der sinkende Zinssatz wird Unternehmen und Privatleute dazu bewegen, mehr Kredite in
Anspruch zu nehmen und Investitionen zu tätigen bzw. mehr zu konsumieren. Die
gesamtwirtschaftliche Nachfrage steigt. Wenn das Angebot der Unternehmen nicht kurzfristig im
Ausmaß der zusätzlichen staatlichen Nachfrage erhöht werden kann, stößt die zusätzliche
Nachfrage auf ein gleichbleibendes Angebot. Es wird zu Preiserhöhungen kommen. Die Folge
der Geldmengenausweitung durch die Kreditgewährung an den Staat ist dann Inflation, das heißt
eine allgemeine Erhöhung des Preisniveaus.
Wenn jedoch die Unternehmen in der Lage sind, kurzfristig ihr Angebot auszudehnen, weil sie
über unausgelastete Kapazitäten verfügen, dann steigt die Produktion und damit das
Volkseinkommen. Stellen die Unternehmen hierzu zusätzlich neue Arbeitskräfte ein, sinkt die
Arbeitslosigkeit. Entscheidend für den Effekt einer Geldmengenausweitung auf das Preisniveau
und das Volkseinkommen ist es demnach, in welcher Situation sich die Volkswirtschaft zur Zeit
der Geldmengenausweitung befindet.
Die im zweiten Fall dargestellte günstigere Arbeitsmarktsituation kann die Gewerkschaften
veranlassen, höhere Löhne zu fordern. Wenn die Arbeitgeber den Lohnforderungen nachgeben,
dann steigen die Löhne und damit die Kosten der Unternehmen. Die Unternehmer werden diese
Kostensteigerung auf die Preise aufschlagen. Es steigt also wiederum das allgemeine
Preisniveau (Lohn-Preis-Spriale). Die Geldmengenausweitung hat dann kurzfristig einen
expansiven Impuls auf Beschäftigung, Produktion und Volkseinkommen, mittel- bis langfristig
kommt es auch zu Preissteigerungen.
5.2. Restriktive Geldpolitik
Im folgenden soll dargestellt werden, wie eine Senkung des Geldangebots wirkt und welche
Wirkungsketten entstehen. Diese kann die EZB zum Beispiel durch den Verkauf von
Devisen oder Wertpapieren an die Kreditinstitute bzw. durch eine Erhöhung des
Mindestreservesatzes bewirken. Durch den Verkauf tauscht die Notenbank
Devisen oder Wertpapiere gegen Zentralbankgeld. Die Banken haben nun im
Vergleich zu vorher weniger Geld für Giralgeldschöpfung zur Verfügung und sind in ihren
Möglichkeiten eingeschränkt, Kredite zu vergeben. Die Refinanzierung verteuert sich, da andere
Formen der Refinanzierung mit höheren Finanzierungskosten verbunden sind. Die Kreditinstitute
werden die Kreditzinsen anheben. Unternehmen und Privatleute werden tendenziell weniger
Kredite aufnehmen und weniger Investitions- oder Konsumgüter kaufen. Insgesamt wird also die
Güternachfrage sinken, die Güterpreise geraten unter Druck. Wenn die Unternehmen die
sinkenden Preise aufgrund starrer Löhne und starrer Preise für Vorprodukte nicht kompensieren
Wirkungen einer Geldmengenänderung können, ist mit Produktionsrückgängen und Entlassungen
zu rechnen. Die Folge ist höhere Arbeitslosigkeit.
Entsprechende Wirkungsketten ergeben sich, wenn die Notenbank die Zinsen verändert, zu
denen sich die Kreditinstitute bei der EZB Geld beschaffen können. Die Kreditinstitute werden
sich den veränderten Geldbeschaffungsmöglichkeiten anpassen und bei gestiegenen
(gesunkenen) Zinsen aufgrund der teurer (billiger) gewordenen Refinanzierung weniger (mehr)
Kredite vergeben. Es ergeben sich die bekannten Folgen.
Alle hier dargestellten Überlegungen zur Wirkung der Geldpolitik der Notenbank können die
komplexen Vorgänge der Wirklichkeit nicht vollständig erfassen. Die Darstellung ist stark
vereinfacht. Die genauen Wirkungen, vor allem das Ausmaß einer Reaktion und die
Anpassungsgeschwindigkeit der Wirtschaft an monetäre Maßnahmen sind umstritten. Konsens
ist allerdings, daß langfristig eine übermäßige Ausweitung der Geldmenge immer von Inflation
begleitet ist, die sich nicht an den Produktionsmöglichkeiten einer Volkswirtschaft orientiert.
Da die Zentralbank langfristig für die Inflationsrate verantwortlich ist, kurzfristig diese aber nur
bedingt beeinflussen kann, verwenden einige Notenbanken ein Zwischenziel, das sie relativ
kurzfristig steuern können und das mit dem eigentlichen Ziel der Preisniveaustabilität
zusammenhängt.
Die EZB sieht in der Geldmenge M3 eine geeignete Zwischenzielgröße. M3 läßt sich von der
EZB durch ihre geldpolitischen Maßnahmen steuern und steht längerfristig in einem stabilen
Zusammenhang mit der Inflationsentwicklung. Parallel zur Analyse des Geldmengenwachstums
beurteilt die EZB die Aussichten für die Preisentwicklung und die Risiken für die Preisstabilität
im Euro-Währungsgebiet. Für diese Beurteilung wird ein breites Spektrum von Indikatoren (z.B.
Verbraucherverhalten, Wachstum des Produktionspotentials der Volkswirtschaft, Änderung der
Umlaufgeschwindigkeit des Geldes etc.) herangezogen. Orientiert an diesen Einflußfaktoren
bildet die EZB einen Zielwert für das Geldmengenwachstum.
6.Europäischen Währungsunion und das Europäische System der Zentralbanken
6.1 Zeittafel zur Europäischen Währungsunion
1969
Die Staats- und Regierungschefs der EG-Staaten beschließen auf einem Gipfeltreffen in Den
Haag, stufenweise eine Wirtschafts- und Währungsunion zu schaffen. Der luxemburgische
Ministerpräsident und Finanzminister Pierre Werner leitet einen Ausschuß, der ab März 1970
einen Plan für die Verwirklichung der Wirtschafts- und Währungsunion ("Werner-Plan")
ausarbeitet und ihn im Oktober 1970 vorlegt.
1971
Im März wird der Werner-Plan verabschiedet. Im selben Jahr kommt es jedoch zu weltweiten
Währungsturbulenzen; sie führen dazu, daß die USA den Dollar-Gold-Standard aufheben; das
Ende des 1947 geschaffenen Systems weltweiter fester Wechselkurse (Bretton Woods-System)
wird eingeleitet.
1972
Um die negativen Auswirkungen der frei schwankenden Wechselkurse für den Bereich der
EWG-Staaten zu begrenzen, wird im März der Europäische Währungsverbund gegründet: Die
Wechselkurse der Währungen der EWG-Staaten dürfen nur um höchstens 2,25 Prozent nach
oben oder nach unten von den vereinbarten Leitkursen abweichen ("Währungsschlange").
1979
Die "Währungsschlange" wird im März zum Europäische Währungssystem (EWS)
weiterentwickelt. Auch hier war vorgesehen, daß alle EG-Währungen zu den ehedem gültigen
5. Zeittafel zur Europäischen Währungsunion 13
Bedingungen, einer maximalen Schwankungsbreite von ± 2,25 Prozent, am
Wechselkursmechanismus teilnehmen sollten. Die bilateralen Leitkurse waren nun in ECU, der
neu eingeführten Rechnungs- und Währungseinheit des EWS definiert.
1988
Eine Expertengruppe unter Leitung von Jacques Delors, dem Präsidenten der Europäischen
Kommission, wird beauftragt, einen Plan für eine Wirtschafts- und Währungsunion (WWU) zu
erarbeiten.
1989 - 1990
Im Juni 1989 treffen sich die Staats- und Regierungschefs der EG-Staaten in Madrid und
beschließen die Einführung der Wirtschafts- und Währungsunion in drei Stufen, wie der "Delors-
Bericht" es vorgeschlagen hatte. Im Dezember 1989 wird in Straßburg beschlossen, zwei
Regierungskonferenzen einzuberufen, die die notwendigen Vertragsänderungen für die WWU
ausarbeiten sollen; sie nehmen im Dezember 1990 ihre Arbeit auf.
1991 - 1993
Im Juni 1991 beginnt die erste Stufe der Europäischen Währungsunion; sie beinhaltet vor allem
die weitgehende Aufhebung aller Kapitalverkehrskontrollen und ab 1993 die Verwirklichung des
Europäischen Binnenmarktes. Im Dezember 1991 verabschieden die Staats- und Regierungschefs
im holländischen Maastricht die von den Regierungskonferenzen vorbereiteten
Vertragsänderungen. Sie vereinbaren, die Währungsunion bis spätestens 1999 zu verwirklichen.
Der Vertrag wird im Februar 1992 unterzeichnet. In Deutschland billigen im Herbst 1993 der
Bundestag mit überwältigender Mehrheit und der Bundesrat einstimmig den Maastrichter
Vertrag, in dem genau definierte Kriterien für die Teilnahme an der Währungsunion festgesetzt
werden. Dazu zählen strikte Preisstabilität, niedrige langfristige Zinssätze, stabile Wechselkurse
im Europäischen Wechselkurssystem während der letzten zwei Jahre vor Eintritt in die
Währungsunion sowie die strikte Disziplin in den öffentlichen Haushalten.
1994
Beginn der zweiten Stufe der Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion. Das Europäische
Währungsinstitut (EWI) mit Sitz in Frankfurt am Main wird errichtet; es bereitet die
Europäische Zentralbank vor, indem es den geldpolitischen Koordinierungsprozeß zwischen den
nationalen Notenbanken intensiviert und die geldpolitischen Instrumente harmonisiert. Das EWI
Lehrbrief Geldtheorie und -politik 14
besitzt eine eigene Rechtspersönlichkeit, seine Mitglieder sind die Zentralbanken der EUMitgliedstaaten.
1998
Im Mai bestimmen die Staats- und Regierungschefs der Mitgliedstaaten der Europäischen Union
endgültig, welche Staaten ab 1999 der Währungsunion angehören werden. Das Europäische
System der Zentralbanken (ESZB) nimmt seine Geschäftstätigkeit auf und löst das EWI ab.
1999
Am 1. Januar beginnt die Europäische Währungsunion (EWU). In dieser dritten Stufe treten
die einzelnen Mitgliedstaaten in die EWU ein. Die geldpolitische Verantwortung geht von den
Nationalen Zentralbanken auf das ESZB über und die ECU wird durch den Euro (zunächst nur
als Giral-/Buchgeld) als neue einheitliche Währung in der Europäischen Union ersetzt.
2002
Am 1. Januar wird der Euro als Bargeld eingeführt; bis zum 1. Juni sind der Euro und die
jeweiligen nationalen Währungen übergangsweise gleichzeitig gesetzliches Zahlungsmittel.
Danach ist der Euro in allen Staaten, die an der Währungsunion teilnehmen, das alleinige
gesetzliche Zahlungsmittel.
Die Geschichte der Zentralbank als Video
6.2. Das Europäische System der Zentralbanken
Mit Beginn der 3. Stufe des europäischen Integrationsprozesses am 1. Januar 1999 haben die
Teilnehmerstaaten ihre geldpolitische Souveränität an das ESZB abgegeben. Das ESZB nimmt
seine Tätigkeit nach Maßgabe des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (im
folgenden bezeichnet als der „Vertrag“) und der Satzung des Europäischen Systems der
Zentralbanken und der Europäischen Zentralbank wahr.
6.2.1. Organisation (Art. 106 des "Vertrages")
Das ESZB besteht aus der Europäischen Zentralbank (EZB) mit Sitz in Frankfurt und den
nationalen Zentralbanken. Der EZB-Rat, das Direktorium und der erweiterte Rat stellen die
Beschlußorgane des ESZB dar. Der EZB-Rat, das oberste Entscheidungsgremium des ESZB,
setzt sich aus dem Direktorium und den Präsidenten der nationalen Zentralbanken zusammen.
Dem Direktorium des ESZB wiederum gehören neben dem Präsidenten und dem
Vizepräsidenten bis zu vier weitere Mitglieder aus den Teilnehmerstaaten der Währungsunion
an. Der Erweiterte Rat besteht aus dem Präsidenten und dem Vizepräsidenten sowie den
Präsidenten aller nationalen Zentralbanken.
Dabei legt der EZB-Rat die Geldpolitik fest, während das Direktorium ermächtigt ist, die
Geldpolitik gemäß den Leitlinien und Entscheidungen des EZB-Rates auszuführen. Die
nationalen Zentralbanken führen die Beschlüsse des ESZB aus. Die geldpolitischen Geschäfte
des ESZB werden in allen Mitgliedstaaten zu einheitlichen Bedingungen durchgeführt.
Das ESZB ist weisungsunabhängig. Dies bedeutet, daß weder die EZB noch eine nationale
Zentralbank noch ein Mitglied ihrer Beschlußorgane Weisungen von Organen oder
Einrichtungen der Gemeinschaft, Regierungen der Mitgliedstaaten oder anderen Stellen einholen
oder entgegennehmen darf (Art. 107).
6.2.2. Aufgabe
Die Aufgaben des ESZB sind in Art. 105 des Vertrages festgelegt (hier auszugsweise):
(1)"Das vorrangige Ziel des ESZB ist es, die Preisstabilität zu gewährleisten." Preis(niveau)stabilität
bedeutet, dass es im Inland nicht zu allgemeinen Preissteigerungen kommt. Preise für
einzelne Güter können also steigen, wenn gleichzeitig die Preise anderer Güter entsprechend
fallen (siehe 6.2.1.).
Soweit dies ohne Beeinträchtigung des Zieles der Preisstabilität möglich ist, unterstützt das
ESZB die allgemeine Wirtschaftspolitik in der Gemeinschaft, um zu den in Artikel 2 festgelegten
Zielen ("eine harmonische und ausgewogene Entwicklung des Wirtschaftslebens innerhalb der
Gemeinschaft, ein beständiges, nicht-inflationäres und umweltverträgliches Wachstum, einen
hohen Grad an Konvergenz der Wirtschaftsleistungen, ein hohes Beschäftigungsniveau, ein
hohes Maß an sozialem Schutz, die Hebung der Lebenshaltung und der Lebensqualität, den
wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalt und die Solidarität zwischen den Mitgliedstaaten
der Gemeinschaft“) beizutragen. Das ESZB handelt im Einklang mit dem Grundsatz einer
offenen Marktwirtschaft und freiem Wettbewerb, wodurch ein effizienter Einsatz der
Ressourcen gefördert wird (Art. 3 a (1)).
Preisstabilität als Aufgabe
Um den Wert des Geldes zu erhalten, ist es wichtig, daß Preisstabilität herrscht. Preisstabilität
hat der EZB-Rat als Anstieg des Harmonisierten Verbraucherpreisindex (HVPI) im Euro-
Währungsgebiet von unter 2 % gegenüber dem Vorjahr definiert. Für das Erreichen der
Preisstabilität hat der EZB-Rat eine Strategie festgelegt, die der Geldmenge eine zentrale Rolle
zuweist. Dies erfolgte in Anlehnung an die bisherige Strategie der Bundesbank. Die Kontrolle
der Geldmenge ist eine notwendige Bedingung für die Preisstabilität. Als quantitativer
Referenzwert dient die als M3 bezeichnete Geldmenge (siehe 2.). Für 1999 hat die EZB beispielsweise
ein M3-Wachstum von 4,5% vorgegeben (im Juni 1999 wuchs z.B. M3 im Vergleich zum
Vorjahresmonat um 5,0 %).
Parallel zur Analyse des Geldmengenwachstums beurteilt der EZB-Rat die Aussichten für die
Preisentwicklung und die Risiken für die Preisstabilität im Euro-Währungsgebiet. Für diese
Beurteilung wird ein breites Spektrum von Indikatoren (z.B. Industrieproduktion,
Verbraucherverhalten etc.) herangezogen.
Das ESZB ist für den Erfolg seiner Stabilitätspolitik zusätzlich auf die Mitwirkung der
öffentlichen Haushalte und der Tarifpartner in den Teilnehmerländern der Währungsunion
angewiesen. Denn handeln diese nicht maßvoll, verschulden sich also zu stark oder beschließen
zu hohe Tarifabschlüsse, kann es zu Inflation kommen (siehe 5.1).
Weitere grundlegende Aufgaben des ESZB bestehen darin:
• die Geldpolitik der Gemeinschaft festzulegen und auszuführen (siehe Kapitel 8.),
• Devisengeschäfte durchzuführen,
• die offiziellen Währungsreserven der Mitgliedstaaten zu halten und zu verwalten und
• das reibungslose Funktionieren der Zahlungssysteme zu fördern.
Darüber hinaus trägt das ESZB zur reibungslosen Durchführung der von den zuständigen auf
dem Gebiet der Aufsicht über die Kreditinstitute und der Stabilität des Finanzsystems ergriffenen
Maßnahmen bei.
7. Die Deutsche Bundesbank innerhalb des ESZB
Die Deutsche Bundesbank ist die Zentralbank der Bundesrepublik Deutschland und wurde 1957
als einheitliche Notenbank errichtet. Sie ging aus dem zweistufigen Zentralbanksystem mit der
Bank deutscher Länder und den damals rechtlich selbständigen Landeszentralbanken hervor, das
seit der Einführung der D-Mark am 20. Juni 1948 die Verantwortung für die deutsche Währung
trug. Heute sind die Landeszentralbanken als Hauptverwaltungen der Deutschen Bundesbank für
jeweils ein oder mehrere Bundesländer zuständig.
Durch den Übergang auf das ESZB hat sich die Organisationsstruktur der Bundesbank noch nicht
verändert. Das Direktorium arbeitet weiterhin in der Bundesbank in Frankfurt, und hier tagt in
der Regel auch der Zentralbankrat, das oberste Organ der Bundesbank. Bis zum Jahr 2003 soll
die Deutsche Bundesbank allerdings einer Strukturreform unterzogen werden. Die beiden zur
Auswahl stehenden Reformmodelle haben eine effizientere Organisation der Deutschen
Bundesbank zum Ziel.
7.1. Organisation
Die Organe der Bundesbank sind der Zentralbankrat, das Direktorium und die Vorstände der
Landeszentralbanken.
Das Direktorium ist das zentrale Exekutivorgan der Bundesbank; es führt die vielseitigen
Geschäfte mit dem Bund und seinen Sondervermögen sowie mit den Kreditinstituten aus. Zu
seinen wichtigsten Aufgaben gehören die Offenmarktgeschäfte im Auftrag des EZB-Rates, die
Geschäfte mit dem Ausland und die Verwaltung der Währungsreserven. Die
Direktoriumsmitglieder werden von der Bundesregierung vorgeschlagen und nach Anhörung des
Zentralbankrates vom Bundespräsidenten für die Dauer von acht Jahren ernannt.
Der Zentralbankrat ist das oberste Organ der Bundesbank. Er bestimmt die Geschäftspolitik der
Bundesbank und erörtert ferner die Auswirkungen der Geld- und Währungspolitik, die seit dem
1.1.1999 vom EZB-Rat und nicht mehr vom Zentralbankrat der Bundesbank bestimmt wird. Der
Zentralbankrat setzt sich aus dem Bundesbankpräsidenten, dem Vizepräsidenten, den bis zu
sechs weiteren Direktoriumsmitgliedern und den Präsidenten der neun Landeszentralbanken
(LZB) zusammen und tritt in der Regel alle 14 Tage donnerstags in Frankfurt am Main
zusammen.
Die Präsidenten der LZB, die zusammen mit einem Vizepräsidenten und ggf. einem weiteren
Vorstandsmitglied den Vorstand einer LZB bilden, werden vom Bundesrat unter Mitwirkung
der betroffenen Landesregierungen bestimmt. Die Landeszentralbanken führen in eigener
Verantwortung die Geschäfte und Verwaltungsangelegenheiten in den Bundesländern, die zu
ihrem Bereich gehören.
7.2. Aufgaben
§ 3 des Gesetzes über die Deutsche Bundesbank definiert die Aufgabe der Bundesbank: „Die
Deutsche Bundesbank ist als Zentralbank der Bundesrepublik Deutschland integraler Bestandteil
des Europäischen Systems der Zentralbanken. Sie wirkt an der Erfüllung seiner Aufgaben mit
dem vorrangigen Ziel mit, die Preisstabilität zu gewährleisten, und sorgt für die bankmäßige
Abwicklung des Zahlungsverkehrs im Inland und mit dem Ausland." Die Bundesbank führt
damit als nationale Zentralbank die gemeinsame Geldpolitik des Europäischen Systems der
Zentralbanken in Deutschland aus. Als Zentralbank nimmt die Deutsche Bundesbank noch eine
Reihe weiterer, historisch gewachsener Funktionen wahr: Sie ist Notenbank, Bank des Staates
und Bank der Banken. Diese Aufgaben werden im folgenden genauer erläutert:
7.2.1. Notenbank
Die EZB hat das ausschließliche Recht, die Ausgabe von Banknoten innerhalb des Euro-
Währungsraumes zu genehmigen. Dabei sind die EZB und die nationalen Zentralbanken zur
Ausgabe von Banknoten berechtigt.
7.2.2. Bank des Staates
Die Bundesbank ist ferner die Hausbank des Bundes und eingeschränkt auch der Länder.
Sie führt für die öffentlichen Haushalte Konten, besorgt den Zahlungsverkehr und unterstützt den
Bund und die Länder bei der Kreditaufnahme am Kapitalmarkt. Mit dem Inkrafttreten der 2.
Stufe der Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion (EWWU) zum 1. Januar 1994 dürfen
der Bund und die Länder nicht einmal mehr kurzfristig Kredite bei der Notenbank aufnehmen.
Der Staat ist also wie jeder andere Kreditnehmer auch auf Kredite bei Geschäftsbanken und
Kapitalmarkt angewiesen. Durch den Verkauf von Schuldverschreibungen am Kapitalmarkt kann
sich der Staat Geld beschaffen. Die Deutsche Bundesbank übernimmt in diesem Zusammenhang
eine Beratungs-, Mittler- und Koordinierungsfunktion. Sie wirkt als sogenannter "fiscal agent".
7.2.3. Bank der Banken
Die Sonderstellung der Deutschen Bundesbank als Bank der Banken beruht darauf, daß die
Kreditinstitute auf Guthaben bei der Bundesbank angewiesen sind, um ihre Zahlungsfähigkeit
aufrecht zu erhalten. Sie müssen an ihre Kunden Bargeld auszahlen und bei der Bundesbank
Guthaben, sog. Mindestreserven, unterhalten. Bargeld und Notenbankguthaben kann sich das
Bankensystem jedoch nur über die Bundesbank beschaffen. Die Deutsche Bundesbank ist als
Teil des ESZB damit auch die letzte Refinanzierungsquelle des Bankensystems in Deutschland.
Wenn das ESZB die Geldmenge knapp halten möchte, wird die Deutsche Bundesbank den
Geschäftsbanken wenig Geld zu einem hohen Zinssatz zur Verfügung stellen. Wenn das ESZB
eine Ausweitung der Geldmenge zulassen möchte, wird die Deutsche Bundesbank umgekehrt
handeln. Die nationalen Notenbanken sind also für die Umsetzung der geldpolitischen Strategie
des ESZB bedeutsam. Die Mittel, mit denen die Bundesbank die Geldversorgung steuert, werden
als geldpolitische Instrumente bezeichnet.
Die Aufgaben und Funktionen als Video
8. Geldpolitisches Instrumentarium
Die Europäische Zentralbank (EZB) bzw. die nationalen Zentralbanken, die die Geldpolitik
ausführen, verfügen über eine Reihe zins- und liquiditätsbeeinflussender geldpolitischer
Instrumente, um das Ziel der Preisstabilität erreichen zu können. Die Geldpolitik innerhalb der
europäischen Währungsunion stützt sich auf drei Säulen:
• die laufende Geldmarktsteuerung in Rahmen von Offenmarktgeschäften,
• die Bereitstellung von zwei ständigen Fazilitäten und
• die Mindestreserve.
als Video
8.1 Offenmarktgeschäfte
Bei den geldpolitischen Operationen des ESZB stehen, entsprechend der zuvor in den meisten
Ländern verbreiteten Praxis, Offenmarktgeschäfte im Mittelpunkt. Auf sie stützt sich vorrangig
die laufende zins- und liquiditätspolitische Steuerung des Geldmarktes, so wie sie auch die
Bundesbank seit Jahren betrieben hat.
Als Offenmarktpolitik bezeichnet man den An- und Verkauf von Wertpapieren am offenen
Markt. Sie werden eingesetzt, um die Zinssätze und Liquidität am Markt zu steuern und Signale
bezüglich des geldpolitischen Kurses zu geben. Die Geschäfte werden zu Marktzinssätzen
abgewickelt. Um einen Geschäftsabschluß in die Wege zu leiten, muß die Bundesbank mit ihrem
Satz dabei etwas günstiger sein als der bisherige Marktzins. Nur so kann sie Geld in den Markt
schleusen oder ihm entziehen. Sie verbessert die Liquiditätsversorgung, wenn sie Wertpapiere
ankauft, und sie zieht Geld aus dem Markt, wenn sie Wertpapiere an die Marktteilnehmer
verkauft.
Bei Offenmarktgeschäften geht die Initiative von der EZB aus, die auch über das Instrument und
die Bedingungen für die Geschäfte entscheidet. Im Hinblick auf ihre Zielsetzung, den Rhythmus
und die Verfahren können die Offenmarktgeschäfte des ESZB in die folgenden vier Kategorien
unterteilt werden:
• Hauptrefinanzierungsgeschäfte,
• längerfristige Refinanzierungsgeschäfte (Basistender),
• Feinsteuerungsoperationen,
• und strukturelle Operationen.
Unter den vier Formen beziehungsweise Gruppen von Offenmarktgeschäften liegt das
Schwergewicht eindeutig auf den zwei Geschäftsarten, die hinsichtlich Laufzeit und
Abschlußrhythmus standardisiert sind und regelmäßig allen Geschäftspartnern im Wege
sogenannter Tenderverfahren angeboten werden. Es sind dies die sogenannten
Hauptrefinanzierungsoperationen und die längerfristigen Refinanzierungsgeschäfte. In beiden
Fällen handelt es sich um liquiditätsbereitstellende Transaktionen, bei denen jedoch im
Unterschied zu definitiven Käufen von notenbankfähigen Aktiva (wie etwa am Rentenmarkt)
Liquidität nur auf Zeit (befristet) zur Verfügung gestellt wird.
8.1.1. Hauptrefinanzierungsgeschäfte
Die Hauptrefinanzierungsgeschäfte werden im wöchentlichen Rhythmus mit 14-tägiger
Laufzeit als sogenannte befristete Transaktionen ausgeschrieben. Sie schließen quasi nahtlos an
die den deutschen Banken und der deutschen Öffentlichkeit seit Jahren bekannten regelmäßigen
Wertpapierpensionsgeschäfte der Bundesbank an.
Im Rahmen der Hauptrefinanzierungsgeschäfte bieten die nationalen Zentralbanken (im Auftrage
des ESZB) den Kreditinstituten an, ihnen Wertpapiere ab 28.6.2000 per Zinstender (siehe 8.1.3)
als Standardtender abzukaufen; die Kreditinstitute müssen sich jedoch gleichzeitig verpflichten,
die Wertpapiere zu einem bestimmten Termin zurückzukaufen. Anhand des Volumens und des
Zinssatzes wird dabei die geldpolitische Grundlinie des ESZB vorgegeben. Diesem Instrument
kommt eine Schlüsselrolle zu, da es dem Finanzsektor den größten Teil der Liquidität zur
Verfügung stellt.
8.1.2. Längerfristige Refinanzierungsgeschäfte
Die längerfristigen Refinanzierungsgeschäfte sind liquiditätszuführende, befristete
Transaktionen in monatlichem Abstand und einer Laufzeit von drei Monaten. Über diese
Geschäfte werden den Geschäftsbanken zusätzliche längerfristige Refinanzierungsmittel zur
Verfügung gestellt. Im allgemeinen verfolgt das ESZB mit diesen Geschäften jedoch nicht, wie
beim Hauptrefinanzierungsgeschäft, die Absicht, dem Markt Signale zu geben. Die nationalen
Zentralbanken (im Auftrage des ESZB) treten deshalb im Regelfall als Preisnehmer auf, d. h. die
längerfristigen Refinanzierungsgeschäfte werden im Wege von Zinstenderverfahren als
Standardtender (siehe 8.1.3) durchgeführt.
8.1.3. Tenderverfahren
Das Tenderverfahren, auch Versteigerungsverfahren genannt, wird in Mengen- und Zinstender
unterschieden. Beide Tenderverfahren werden in der Regel als Standardtender ausgeführt,
möglich ist aber auch der Schnelltender. Standardtender sollen jedem geldpolitischen
Geschäftspartner die Teilnahme ermöglichen. Sie werden insbesondere bei regelmäßigen
Offenmarktgeschäften - Haupt- und längerfristige Refinanzierungsgeschäfte - sowie
gegebenenfalls auch bei strukturellen Operationen verwendet und stehen somit im Vordergrund.
Schnelltender dagegen dienen Feinsteuerungsoperationen mit einem beschränkten Kreis von
Geschäftspartnern.
Beim Mengentender legen die nationalen Zentralbanken (im Auftrag des ESZB) intern das
Volumen des Geschäfts, also wieviel Wertpapiere sie den Kreditinstituten für eine befristete Zeit
abkaufen wollen, fest. Anschließend gibt sie sowohl die Laufzeit als auch den Zins bekannt. Die
Kreditinstitute nennen dann nur noch den Betrag, den sie zeichnen wollen. Übersteigt die
Gesamtnachfrage der Kreditinstitute das Angebot, wird anteilig zugeteilt.
Beim Zinstender legen die nationalen Zentralbanken intern das Volumen des Geschäfts fest und
geben dann die Laufzeit bekannt. Daraufhin geben die Kreditinstitute ihre Angebote (Volumen)
mit einem von ihnen gewählten Zinssatz, den sie zu zahlen bereit sind, ab. Die jeweilige
Zentralbank ordnet die Angebote dann nach der Höhe der Zinssätze. Sodann wird zu den
Zinssätzen zugeteilt, die die Kreditinstitute geboten haben, bis der Gesamtbetrag, den die
jeweilige Zentralbank im ersten Schritt bestimmt hatte, erreicht ist.
8.1.4. Feinsteuerungsoperationen und strukturelle Operationen
Feinsteuerungsoperationen werden von Fall zu Fall zur Steuerung der Marktliquidität und der
Zinssätze durchgeführt, und zwar insbesondere, um die Auswirkungen unerwarteter
marktmäßiger Liquiditätsschwankungen auf die Zinssätze auszugleichen. Die Feinsteuerung
erfolgt in erster Linie über befristete Transaktionen, u. U. aber auch in Form von definitiven
Wertpapierkäufen bzw. -verkäufen, Devisenswapgeschäften und der Hereinnahme von
Termineinlagen (kurzfristige Anlage der Banken bei den Zentralbanken). Auch die
Feinsteuerungsoperationen werden von den nationalen Zentralbanken durchgeführt. Nur in
Ausnahmefällen entscheidet der EZB-Rat, ob sie von der EZB selbst durchgeführt werden.
Darüber hinaus kann das ESZB strukturelle Operationen über die Emission von
Schuldverschreibungen, befristete Transaktionen und definitive Wertpapierkäufe bzw. -verkäufe
durchführen. Diese Operationen werden genutzt, wenn die EZB die strukturelle
Liquiditätsposition des Finanzsektors gegenüber dem ESZB (in regelmäßigen oder
unregelmäßigen Abständen) anpassen will. Strukturelle Operationen in Form von befristeten
Transaktionen oder im Wege der Emission von Schuldtiteln werden nur von den nationalen
Zentralbanken durchgeführt.
8.2. Ständige Fazilitäten
Die ständigen Fazilitäten (die Gesamtheit der den Geschäftsbanken eingeräumten Kreditmöglichkeiten)
dienen dazu, Übernachtliquidität bereitzustellen oder zu absorbieren.
Sie signalisieren den allgemeinen Kurs der Geldpolitik und stecken Ober- und Untergrenze der
Geldmarktsätze für Tagesgelder ab. Die Geschäftsbanken können zwei ständige Fazilitäten auf
eigene Initiative in Anspruch nehmen: die Spitzenrefinanzierungsfazilität und die
Einlagenfazilität.
Die Geschäftspartner können die Spitzenrefinanzierungsfazilität
nutzen, um sich von den nationalen Zentralbanken Übernachtliquidität zu
einem vorgegebenen Zinssatz gegen refinanzierungsfähige Sicherheiten zu beschaffen. In der
Regel gibt es keine Kredithöchstgrenzen, und die Inanspruchnahme dieser Fazilität durch die
Geschäftspartner unterliegt auch keinen sonstigen Beschränkungen mit Ausnahme der
Bedingung, daß ausreichende Sicherheiten zur Verfügung stehen müssen. Der Zinssatz für die
Spitzenrefinanzierungsfazilität bildet im allgemeinen die Obergrenze (ehemaliger Lombardsatz)
des Tagesgeldsatzes.
Die Einlagenfazilität können die Geschäftspartner nutzen, um bei eigenen kurzfristigen
Liquiditätsüberschüssen bei den nationalen Zentralbanken Guthaben bis zum nächsten
Geschäftstag anzulegen. In der Regel gibt es keine Betragsbegrenzungen für die entsprechenden
Einlagekonten, und die Inanspruchnahme dieser Fazilität durch die Geschäftsbanken unterliegt
auch keinen sonstigen Beschränkungen. Der Zinssatz für die Einlagenfazilität bildet im allgemeinen
die Untergrenze (ehemaliger Diskontsatz) des Tagesgeldsatzes. Die ständigen Fazilitäten werden
dezentral von den nationalen Zentralbanken verwaltet.
8.3. Mindestreservepolitik
Die EZB verlangt von den Kreditinstituten, daß sie im Rahmen der Mindestreservevorschriften des ESZB Mindestreserven auf Konten bei den nationalen Zentralbanken unterhalten. Das zu diesem Zweck unterhaltende Guthaben, dessen Höhe sich nach bestimmten Verbindlichkeiten richtet, wird zum Satz für die ESZB-Hauptrefinanzierungsgeschäfte verzinst. Dieser Mindestreservesatz wurde 1999, zu Beginn der dritten Stufe der Wirtschafts- und Währungsunion, auf 2% festgesetzt und ab dem 18.01.2012 auf 1 % abgesenkt. Um die Mindestreservepflicht nicht umgehen zu können, unterliegen auch kurzfristige Bankschuldverschreibungen oder sogenannte €-Einlagenzertifikate der Mindestreservepflicht. Die Mindestreserve muß lediglich im Monatsdurchschnitt erfüllt werden, d. h. eine Unterdeckung an einzelnen Tagen kann durch eine Überdeckung an anderen Tagen ausgeglichen werden.
Die Mindestreserve erfüllt eine liquiditätspolitische Doppelfunktion. Bei gegebenen
Reservesätzen begrenzt sie die Geldschöpfungsmöglichkeiten (siehe 5.) der Banken, denn bei einem Einlagenwachstum müssen die Kreditinstitute ihre Guthaben bei der jeweiligen nationalen Zentralbank erhöhen. Bei einer Erhöhung der Reservesätze werden Mittel der Kreditinstitute gebunden. Bei einer Senkung der Reservesätze werden Mittel frei, die die Kreditinstitute dann anderweitig verzinslich anlegen können.
Mit der Mindestreserve ist auch ein Rentabilitätseffekt verbunden. Hohe Reservesätze schmälern die Erträge der Kreditinstitute, die dies in niedrigeren Haben-Zinsen an ihre Einlagenkunden oder höhere Soll-Zinsen an ihre Kreditkunden weitergeben werden. Auch so können die nationalen Zentralbanken bzw. das ESZB Einfluß auf das Zinsniveau und damit auf die Kreditnachfrage und die Geldmengenentwicklung nehmen.
weiter Videos von der EZB
http://www.ecb.int/ecb/educational/movies/html/index.de.html
Literatur
Bofinger, Peter / Reischle, Julian / Schächter, Andrea (1996): Geldpolitik: Ziele, Institutionen,
Strategien und Instrumente, München.
Deutsche Bundesbank (verschieden Jahrgänge): Monatsberichte, Frankfurt.
Duwendag, Dieter (1999): Geldtheorie und Geldpolitik in Europa : eine problemorientierte
Einführung mit einem Kompendium monetärer Fachbegriffe ; 5., neubearb. Aufl.., Berlin,
Heidelberg.
Görgens, Egon / Ruckriegel, Karlheinz / Seitz, Franz 1999: Europäische Geldpolitik, Düsseldorf.
Issing, Otmar 1998: Einführung in die Geldtheorie, 11., überarb. Aufl., München.
Europäische Zentralbank 1998: Die einheitliche Geldpolitik in Stufe 3: Allgemeine Regelungen
für die geldpolitischen Instrumente und Verfahren des ESZB, Frankfurt.
Website der Deutschen Bundesbank http:// www.bundesbank.de
Website der Europäischen Zentralbank http:// www.ecb.com.
Quelle:
Eberhard-Karls-Universität Tübingen
Wirtschaftswissenschaftliches Seminar
Lehrstuhl für Wirtschaftspolitik,
insbesondere Wirtschaftspolitik I
Prof. Dr. Dr. h.c. Joachim Starbatty
Dr. Gunther Schnabl
2000 Tübingen
aktualisiert von Dombergen
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