Arbeitsmarkt

Arbeitsmarkt und Arbeitsmarktpolitik

Arbeitsmarkt

Im Gegensatz zu ihrer Bezeichnung sind auf dem Arbeitsmarkt die Arbeitgeber die Nachfrager der Faktorleistung wie Arbeit und die Arbeitnehmer die Anbieter. Auch hier unterscheiden sich die Markt­teilnehmer durch ihre jeweiligen Preisvor­stellungen (Lohn, abhängig v.a. von Qualifikation und Gefragtheit) und ihre Mengenvorstellung (Arbeitsumfang, Arbeitsdauer). Damit stellt sich der Arbeits­markt grundsätzlich als idealtypischer Markt (AM 2) dar. Unterstellt man eine relativ fixe Arbeitszeit pro Beschäftigtem läßt sich der Arbeitsmarkt in einem Lohn-Beschäftigtenzahl-Diagramm darstellen. Eine solche Dar­stellung kann jedoch die erhebliche Differenzierung des Arbeitsmarktes nach Qualifikationen und regionalen Besonderheiten kaum erfassen. Auf diesem Markt kommt es zur Einigung zwischen den Arbeitgebern und Arbeitnehmern zu einem bestimmten Marktpreis. Vom Markt ausgeschlossen werden dann die Arbeitnehmer, deren Lohnvorstellungen über diesem Preis liegen (freiwillige Arbeitslosigkeit) und die Arbeitgeber, die nicht bereit oder in der Lage sind, diesen Preis zu zahlen. Beim ersten Augenschein gibt es in diesem Ansatz keine weitere Arbeitslosigkeit. Betrachtet man jedoch auch die Modellvoraussetzungen, so muß man die

Ursachen der Arbeitslosigkeit

  • (1) freiwillige Arbeitslosigkeit ergänzen durch
  • (2) die friktionelle Arbeitslosigkeit, die aus der Unübersichtlichkeit des Arbeitsmarktes resultiert, welche eine volle Information für die Marktteilnehmer nicht sichern kann (ca. 0,3-0,5 Mio. Arbeitslose),
  • (3) die saisonale Arbeitslosigkeit, die sich aber in einer ganzjährigen Betrachtung aufhebt (Landwirtschaft, Bauwirtschaft) (ca. 0,4-0,5 Mio Arbeitslose) und
  • (4) die konjunkturelle Arbeitslosigkeit, die sich aus den Schwankungen der Wirtschaftstätigkeit ergibt und die aufgrund des Rationalisierungseffektes - vor allem in Krisen - zu tendenziell steigender Arbeitslosigkeit führen kann
    (ca. 0,6 -1,5 Mio. Arbeitslose ),
  • (5) die strukturelle Arbeitslosigkeit, die durch den Strukturwandel (nach Branchen aber auch nach Regionen) der Wirtschaft verursacht wird. Die Arbeitskräfte "wechseln"; auf diesem Wege sollen sie durch Maßnahmen (z.B. Umschulung) begleitet werden (ca. 1 Mio. Langzeitarbeitslose - Vor der Agenda 2010 gab es ca. 2 Mio Langzeitarbeitslose.)

 weitere Informationen: Überblick zum Arbeitsmarkt im Laufe der Jahre 2005 bis 2015

Aktuelle Daten der Bundesargentur für Arbeit: Arbeitsmarkt im Überblick


Allerdings ist der wirkliche Arbeitsmarkt keines­wegs ein solch idealtypischer Markt, wie eingangs unterstellt. Durch Tariflöhne ist der „Marktpreis“ relativ festgeschrie­ben. Davon profitieren sowohl Arbeitgeber als auch Arbeitnehmer in Form der sich daraus ergebenden Planungssicherheiten für Kosten und Einkommen. Geht jedoch durch geringes Wirtschaftswachstum über mehrere Jahre hinweg die Nachfrage nach Arbeit zu­rück­, nicht aber der Lohn, führt wie­derum zu einer noch  niedrigeren Nach­frage nach der jetzt überteuerten Arbeit, d.h. zu zusätzlicher Ar­beits­losigkeit, der sog.
 Arbeitslosigkeit durch Lohnstarrheit.

Grafik aktuell nicht verfügbar 
 

Werden, wie in Deutschland, die Folgen der Arbeitslosigkeit über die Erhöhung der Lohnnebenkosten finanziert, entsteht durch eine weitere Verteuerung der Arbeit immer wieder neue Arbeitslosigkeit. (Stand2004)

Ein Ausweg aus diesem Dilemma bietet entweder ein anhaltend starkes Wirtschaftswachstum, bei dem dann starre Löhne zusätzliche Beschäftigung erzeugen können, sowie eine Senkung der Lohnebenkosten z.B. durch eine Umfinanzierung der Sozialsysteme. Lohnsen­kungen stellen aufgrund der steigenden Produktivität geraden in solchen Krisen­jahren keine Lösung dieses Problems dar.  

 

Arbeitskosten im Landervergleich in den 90er Jahren in DM


 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 

 
 
 
 
  
Allerdings sind in den neunziger Jahren die Lohnnebenkosten (Arbeitskosten über die Bruttolöhne hinaus) gestiegen und nicht gesenkt worden ( AM 13). Als weitere Probleme von Arbeitsmärkten mit entwickelten Tarif- und Sozialsyste­men gelten Dauer- bzw. Sockelarbeitslosigkeit sowie Jugend- und Altersarbeitslosigkeit sowie die Arbeitslosigkeit gering Qualifizierter. So zeigt sich, dass in den Ländern, welche im zurückliegenden Jahrzehnt ihre Arbeitsmärkte flexibilisiert haben, zu großen Arbeitsplatzgewinnen gekommen ist. Die im Vergleich außergewöhnlich hohe Arbeitslosenquote der über 55jährigen in Deutschland lässt vermuten, dass auch hier zahlreiche sozial­staatliche Anreize eines vorgezogenen Ruhestandes den Tarifpartnern eine überdurchschnittliche Freisetzung gerade dieser Beschäftigtengruppe nahe legen. 

 

Arbeitsmarktpolitik


Die Auffassungen über Ursachen der Arbeitslosigkeit und über die Strategien zu ihrer Bekämpfung differieren nicht nur nach der jeweiligen wirtschaftspolitischen Schulen, sondern auch nach Ländern. So wurde die Arbeitslosigkeit mit ganz unterschiedlichen Ansätzen in zahlreichen Staaten fast gänzlich beseitigt.(Stand 2006)
 

  • Beispiel USA: Mit Subventionierung sog. Billigjobs über das Steuersystem (Negativsteuer) wurde Millionen neuer Arbeitsplätze geschaffen, welche durch die Nachfrage nach anderen Gütern dann Wachstum und Beschäfti­gung in andere Branchen übertrugen.
  • Beispiel Dänemark: Mit einer kreditfinanzierten Jobrotation konnten Arbeit­nehmer bis zu einem Jahr aussetzen, was zu zusätzlicher zunächst zeitlich befristeter Beschäftigung führte. Beide Gruppen, Aussetzer und befristet Beschäftigte, steigerte ihr Nachfrage, welche schlussendlich zu einem ar­beitsplatzschaffenden Wirtschaftswachstum führte.
  • Beispiel Niederlande: Mit einer Änderung des Steuer- und Rentensystems haben Staat und Tarifpartner in den Niederlanden die Rahmenbedingungen für eine breite Nutzung des Jobsharing geschaffen und damit Arbeitslosig­keit auch verhindert.
  • Beispiel Deutschland: Agenda 2010 mit den Hartzgesetzen 1-4

 

Vollbeschäftigung hat sich in der langen Frist jedoch immer mit einer Senkung der Arbeitszeit durchgesetzt – mit Streiks und politische Auseinandersetzungen in den frühen Jahren der Industriegesellschaft, mit tariflichen Regelungen in der Gegenwart. Als „Königsweg“ dieser Entwicklung gilt die Aufteilung des Produkti­vitätsfortschritts in (geringer) ansteigenden Löhne und Arbeitszeitverkürzung. Voraussetzung für eine weitere Arbeitszeitverkürzung ist jedoch eine differen­zierte und flexible Handhabung.

Das VW-Modell, das Konzept der produktivi­tätsorientierten Lohnpolitik und die Einführung der 35-Stunden-Woche in Frank­reich sind Beispiele für die Anwendung dieses Gedankens. Die Arbeitslosigkeit ist allerdings kein rein wirtschaftliches Phänomen. Der Nachfrage nach Arbeit durch die Wirtschaft steht ein Arbeitsangebot durch die Bevölkerung gegenüber. Dieses entwickelt sich durch soziale (z.B. Frauenbe­schäftigungsgrad) und demographische Faktoren abgekoppelt von der Wirt­schaftsentwicklung. Starkes Bevölkerungswachstum kann so zu Arbeitslosigkeit trotz Beschäftigungswachstum führen. Bevölkerungsrückgang kann die Arbeits­losigkeit auch bei stagnierender Beschäftigung senken. Den Umfang dieses Ein­flußfaktors zeigt die folgende Abbildung.



Die Prognose zeigt, dass in den kommenden Jahren die Bevölkerung im er­werbsfähigen Alter in den kommenden Jahren drastisch zurückgehen wird. Dies führt, auch bei durchschnittlicher Zuwanderung zu einer Verringerung des Ar­beitsangebots und damit wahrscheinlich zu einem Rückgang der Arbeitslosigkeit. Die Wirkung wird jedoch nach Qualifikationsgruppen und nach Regionen höchst unterschiedlich ausfallen, so dass nach gegenwärtigem Kenntnisstand nicht von einem „Verschwinden“ der Arbeitslosigkeit allein aus demographischen Gründen ausgegangen werden kann.
Quelle: Ralf Wagner TFH Berlin leicht aktualisiert von Dombergen

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